Nepal also.
Als wir am 19.01.2009 morgens in unseren Sveni (VW LT28) stiegen, zeigte der Tacho einen Kilometerstand von 295.397km. Es war ein typischer naß-kalter, schnee-matschig grauer Januarmorgen und Micha und ich konnten diesen Moment, im Nachhinein betrachtet, eigentlich gar nicht richtig greifen. Emotionale Achterbahn olé!
Ausgestattet mit GPS und etlichen Strassenkarten setzten wir als erstes Kurs auf München, um das korrekt ausgestellte Carnet de Passages für Sveni beim ADAC abzuholen.
War es das etwa schon?
Wir kamen gute 45km weit. Mitten in Geislingen an der Steige lief Sveni plötzlich nicht mehr rund. Alarm! Sollten wir etwa direkt nach unserem Aufbruch in unbekanntes Territorium schon zum Umkehren oder noch schlimmer gar zum Abbruch gezwungen sein??? Totenstille. Bleiche Gesichter. Panik.
Micha manövrierte Sveni vorsichtig in eine Nebenstrasse, um sich einen Überblick zu verschaffen. Tief durchatmen. Motor ausgeschaltet. Nochmals einen tiefen Atemzug genommen. Motor neu gestartet. Ein kurzes Aufheulen und Gestotter des Motors. Dann lief Sveni wieder auf allen 6 Zylindern – genau so, wie er es sollte. Uff. Freudenrufe. Partystimmung. Olé Olé! Vermutlich ging Sveni’s Vorfreude auf unsere gemeinsame Tour auch mit ihm etwas durch.
Ohne weitere Vorkommnisse schafften wir es nach München, tauschten das Carnet und setzten weiter Kurs auf den Chiemsee, wo wir unsere Premieren-Nacht als Camper-Newbies und Overlander auf dem Weg nach Nepal verbringen wollten.
Deutschland – Österreich
Vom Chiemsee fuhren wir nach Salzburg: our first border-crossing!!! Weiter ging es über den Wolfgangsee und Mariazell an den Neusiedler See. Es war sensationell schön. Wir kamen nachmittags in Neusiedl an, die Sonne bahnte sich langsam ihren Weg am anderen Ende des Sees zu einem unglaublichen Sonnenuntergang über einen – zumindest teilweise – zugefrorenen See. Perfect Winter Wonderland, auch ohne Schnee drumrum.
Bis hierhin hatten wir uns immer irgendwo Plätze für die Nacht gesucht, Campingplätze sollten eher als “Notlösung” dienen. Auch in Neusiedl standen wir auf einem Parkplatz direkt am See und genossen die Vorzüge des Reisens off-season. In Sveni hatten wir wohl Wasser und auch ein “Emergency”-PortaPotti, aber wir behalfen uns meist mit Besuchen in Hallenbädern zum Duschen und Toiletten, wo man sie eben so findet (Cafés, Kaufhäuser, Raststätten, etc.).
Wir genossen unsere gewonnene Freiheit. Es fühlte sich so gut an! Wir konnten jeden Tag so gestalten, wie wir wollten und die einzigen Sorgen, die wir hatten, waren in welche Richtung wir fahren sollten und wo wir nach einem passenden Platz für die Nacht suchen würden. Mit jedem Tag und auch jeder Nacht in Sveni groovten wir uns mehr in unser neues Leben on the road ein.

Österreich – Ungarn – Rumänien
Die ersten Nächte in Ungarn verbrachten wir dann allerdings auf Campingplätzen. Die Ungarn stehen total auf Thermalbäder und Camping, entsprechend gut passte es für uns. Wir besuchten Esterhazy Kastely, Györ, den Dom von Esztergom und Sisi’s Schloss in Gödöllö, bevor wir ein paar Tage in Budapest verbrachten. Ich selbst war schon einige Jahre zuvor in Budapest, wollte die Stadt aber Micha unbedingt zeigen. Mit allen downsides eine der schönste Städte Europas.
Durch die Puszta ging es Richtung Szeged und weiter an die nächste Grenze: Ungarn – Rumänien.

Anfängerfehler
Mit Rumänien befuhren wir nun tatsächlich Neuland, hier waren wir beide noch nie. Nach Temeșwar besuchten wir Sibiu, ehemals Hermannstadt. Sibiu, genauso wie Brașov, gehört unbedingt auf jede Liste von Rumänien-Besuchern. Schöne, wieder wunderbar hergerichtete Städte mit viel Vergangenheit – absolut sehenswert.
Ein klassischer Anfängerfehler, den wir teilweise bis zum Schluss in Perfektion beherrschten, ist nicht früh genug nach einem Übernachtungsplatz zu suchen. Dieser Klassiker sorgte in Rumänien irgendwann dafür, dass wir relativ spät abends in Fagaraș einem Kreisverkehr unser Nachtlager aufschlugen. Wäre eigentlich nicht groß erwähnenswert. Eigentlich.
Romania Chainsaw Massacre
Unser Problem: Wie verhält man sich, wenn man in seinem Camper im Bett liegt, mitten in der Nacht durch sich nebenan unterhaltende (und aufgrund der Lautstärke sicher nicht mehr ganz nüchterne) Männer wach wird? Wenn einer der Herren an den Kofferraum des neben uns parkenden Autos geht und seine Kettensäge auspackt und diese dann einfach startet???
Micha und ich schauten uns an und versuchten irgendwie die Situation zu umreißen. Sollten wir schnell zusammen packen und davon fahren? Wollten die überhaupt was von uns? Wir waren uns sicher, dass denen nicht einmal bewusst war, dass jemand in Sveni lag und versuchte zu schlafen. Angst, dass die uns was wollten, hatten wir beide also nicht. Aber etwas Sorge, dass die eventuell in ihrem Suff einfach mal die Kettensäge an Sveni ausprobieren könnten. Ja, diese Sorge hatten wir tatsächlich.
Mucksmäuschenstill harrten wir die nächsten Minuten aus, dann packten unsere Nachbarn alles wieder zusammen, setzten sich in ihr Auto und fuhren davon.
Dracula Country
Die Nacht war für uns gelaufen. Schlafen konnten wir danach beide nicht mehr. Also gemütlich gefrühstückt, zusammen gepackt und weitergefahren. Wir bummelten durch Brașov, ehemals Kronstadt, legten ein zweites Frühstück vor Ort ein. Allein für die Schwarze Kirche lohnt sich ein Besuch in Brașov.
Next stop: Castelul Bran, das Schloss von Dracula. Das Setting hätte nicht besser sein können. Der Himmel war mit dicken, schneegefüllten Wolken behangen, es war düster, alles grau in grau, die Fress- & Souvenirbuden unterhalb des Schloss mit Fackeln beleuchtet und durch die Bäume konnte man das Schloss erahnen. Das Geheule und Gebelle von streunenden Hunden machte es perfekt. Jeden Moment musste doch Vlad der Pfähler ums Eck kommen.
Eine Besichtigung des Schloss ist absolut empfehlenswert, vor allem und eigentlich nur im Winter. Die Atmosphäre war umwerfend.

Vom 21. Jahrhundert ins Mittelalter in 3-2-1
Bucharest und das Monstrum, das sich Ceaușescu dort hat erbauen lassen, streiften wir nur auf dem Weg zur bulgarischen Grenze. Unsere größte Bemühung lag darin, Sveni an einem Stück durch die Schlaglochlandschaft zu bugsieren. Rumänien war toll aber auch eine Herausforderung.
Auf der einen Seite besuchten wir Städte wie Sibiu, die sich trotz ihres “alten” Kern nach einer modernen Stadt des 21. Jahrhunderts ansah und anfühlte und dann ging die Fahrt durch Dörfer, in denen mehr Pferdekutschen als Autos unterwegs waren. Die Suche nach Stromleitungen und fließend Wasser war dort meist auch vergebens.
Eine Schlaglochpiste jagte die nächste, aber in regelmäßigen Abständen behaupteten Schilder am Straßenrand, dass so und so viele Millionen Euro der EU hier für den Straßenbau eingeflossen wären. Unwillkürlich fragte man sich in wessen Hosentasche, bzw. auf wessen Konto das Geld gegangen sein muss, denn genau dort, wo das Schild es behauptet, war definitiv nichts angekommen. Wir konnten uns nur wundern.

Wo ist die Grenze?
Die Grenzbrücke über die Donau nach Bulgarien war nicht ganz einfach zu finden, aber nach ein paar Runden durch Giurgiu hatten wir die richtige Einfahrt erwischt. Grenzübertritt Nr. 4: check.
Die Strassen in Bulgarien waren ungefähr genauso schlecht wie in Rumänien. Einzig die Autobahn A1 war wie neu. Was eine Wohltat für den geschundenen Sveni, die Kilometer auf ordentlich geteerter Strasse hatte er sich verdient.
Wir querten Bulgarien mehr oder weniger einmal der Länge nach bis wir an die Grenze zur Türkei und damit ein weiteres Stück näher Richtung Nepal kamen.
Auf der Türschwelle nach Asien
Die ersten vier Grenzübertritte waren alles andere als spektakulär. Mit unserer Einreise in die Türkei änderte sich das etwas. Hier wurden wir das erste Mal tatsächlich kontrolliert und mussten eine extra KFZ-Versicherung für Sveni abschließen. Asien zum Greifen nah! Jetzt fühlte es sich nicht mehr wie eine Urlaubsreise an, unsere Tour wurde langsam zu dem, was wir wirklich wollten: ein Abenteuer! 🙂
Wir steuerten Istanbul an. Es gibt Orte, die besucht man das erste Mal und möchte gar nicht mehr gehen. Und dann gibt es Orte wie Istanbul. Nach einer Nacht waren wir uns einig: raus hier! Wenn einfach nichts so klappt und man sich kein bisschen zurecht findet und wohl fühlt, hilft nur noch die Flucht. Genau diese waren wir angetreten.
Vorbei an der Hagia Sophia, mit Blick auf die blaue Moschee und durch Besiktas auf die Brücke über den Bosporus zur asiatischen Seite von Istanbul und ab ans Schwarze Meer!
Am Schwarzen Meer schlugen wir Lager direkt am Strand auf. Das beste “Fernsehprogramm” überhaupt: beim Frühstück auf die Wellen schauen.
Kaputt.
Gut 3.500km hatte Sveni uns nun schon über europäische Strassen bis in die Türkei gebracht. Wir standen an einer Ampel-Kreuzung in Kocaeli, einer Stadt auf dem Weg vom Schwarzen Meer gen Süden. Die Ampel wurde grün und Micha trat auf das Kupplungspedal um den Gang einzulegen, da gab das Pedal einfach nach und blieb im Fußraum liegen.
Warum passiert sowas immer zu Hauptverkehrszeiten und an großen Kreuzungen? So standen wir also mit Sveni als ultimatives Verkehrshindernis. Es dauerte nicht lange, bis uns zwei nette Herren zu Hilfe eilten und wir gemeinschaftlich Sveni an den Strassenrand bewegt bekamen.
Binnen kürzester Zeit standen neben uns ein Einwohner von Kocaeli, der bestens deutsch sprach, ein Trucker, der Holz aus Deutschland in die Türkei fuhr (der Import von Holz war günstiger als das eigene zu nutzen) und zwei KFZ-Mechaniker der ortsansässigen VW-Werkstatt bei Sveni. Es waren alle super bemüht aber nach 1,5 Stunden reparierte Micha die gebrochene Kupplungspedal-Aufhängung dann doch selbst 🙂
Der Sonne entgegen
Nachdem Sveni wieder hergestellt war, setzten wir weiter Kurs auf die türkische Riviera, der Sonne entgegen. Die Landschaft, durch die wir fuhren, war wunderschön und so viel mehr als wir erwartet hatten. Die klassischen Touri-Ecken wie Pamukkale oder die Küste der türkischen Riviera rund um Belek, Antalya & co touchierten wir nur wo es nicht anders ging.
Die Tatsache, dass man beinahe nirgends einfach so an das Meer kam, fanden wir grässlich und ein übler Unterschied zum Schwarzen Meer, wo wir nur wenige Tage zuvor waren. Die ganzen Hotelbunker mit ihren Privatstränden. Nein, wir suchten uns die Plätze, die vom Tourismus bestmöglich verschont oder (noch) nicht entdeckt schienen.

300.000km
Irgendwo kurz vor Antalya hatten wir aber noch Grund zu feiern: Sveni machte die 300.000km voll!!! Diese Tatsache feierten wir abends mit einer Flasche türkischen Rotwein 🙂
Langsam arbeiteten wir uns Richtung Osten. Die erste Polizei-Kontrolle konnten wir auf unserer nicht-vorhandenen ToDo-/Must Have-Liste auch irgendwann abhaken. Die einzige Frage allerdings hier von den Polizisten war, welche Taucher-Brevets wir hätten? CMAS oder PADI?
Wir trafen Deutsche, die seit vielen Jahren ihr Zuhause in der Türkei gefunden hatten und Türken, die fließend deutsch sprachen und sich zu gern mit uns unterhielten. Die erste Höllennacht der Stechmücken erwartete uns genauso in der Türkei wie eine unglaubliche Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft je östlicher wir kamen.

Bauchgefühl
Je östlicher uns unsere Route führte, desto einfacher wurde es, ruhige/abgelegene Plätze für die Nacht zu finden.
Selbstredend, dass nicht alle vermeintlich ruhigen Plätze funktionierten: waren es einmal eine Horde Kinder, die unseren armen Sveni mit Steinen bewarfen, klopfte es ein andermal an unserer Tür und davor stand ein älterer Herr mit merklicher Alkoholfahne und Schrotflinte über die Schulter geworfen. Seiner Gestik nach zu urteilen wollte er uns wohl darauf aufmerksam machen, dass in der Gegend gejagt würde und wir einen anderen Übernachtungsplatz suchen sollten. So oder so war für uns direkt klar, dass wir dort nicht bleiben würden. Alkohol und Waffen sind nie eine gute Kombination.
Bis auf diese Ausnahmen hatte uns unser Bauchgefühl bis hierher gut geleitet. Leider wurde von einem Moment auf den anderen dem Thema Bauchgefühl eine neue Bedeutung zu teil: Micha wurde eines Nachts wach und hatte Höllenschmerzen im Bauch/Unterleib/Nieren/Rücken-Bereich – als würde ihm jemand ein Messer reinrammen. Woher, wie und was? Wir wussten es nicht. Irgendwann gingen die Schmerzen wieder weg und wir einigten uns darauf, dass wir das Ganze erstmal beobachteten. Das war nicht witzig und sorgte für absolute Alarmbereitschaft.

You cannot stay here.
Kurz vor Diyarbakir hatten wir wieder einen Übernachtungsplatz etwas außerhalb einer kleinen Siedlung gefunden. Micha ging es soweit wieder gut und während ich mit den Vorbereitungen für das Abendessen begann, verschwand er im Bad zum Rasieren.
Wir standen keine 5 min, als ich ein Auto erst vorbeifahren und kurz darauf stoppen hörte. Ich konnte meine Gedanken noch nicht einmal aussprechen, da klopfte es bereits an unserer Tür. Micha war noch komplett mit Rasierschaum einbalsamiert und so öffnete ich Sveni’s Schiebetür. Drei völlig ungläubig dreinblickende Augenpaare starrten mich an.
Auf mein “Hallo” brach ein kurdisches Stimmenwirrwarr los und ich verstand nur Bahnhof. Micha im Hintergrund wurde immer hektischer mit seinem Rasierer und ich hatte plötzlich ein Handy in der Hand, das mir gedeutet wurde, ans Ohr zu halten. Am anderen Ende hörte ich eine weitere Männerstimme, allerdings nicht auf Kurdisch sondern auf Englisch mit mir sprechen.
“It is a dangerous area, you cannot stay here. Please follow these men to the next village. You can park there.” Ah ok. Ich bedankte mich für die Fürsorge und antwortete, dass wir noch kurz wieder zusammen packen müssten und dann dem Auto hinterher fahren würden. In der Zwischenzeit war Micha auch fertig im Bad. Also alles eingepackt und los.
In unserer naiven Vorstellung dachten wir, wir würden dem Auto folgen, bekämen einen Parkplatz zugewiesen und könnten dann einfach weitermachen.

Tanzvideos der letzten Clan-Feier
Wir parkten Sveni und ergaben uns unserem Schicksal 🙂 Innerhalb kürzester Zeit fanden wir uns im Gebetsraum/Gästezimmer des Haupthauses wieder. Die Stimme am anderen Ende des Handys erklärte uns, dass wir hier jetzt Gäste wären, bekämen zu Essen, zu Trinken, könnten dort schlafen. Einmal das volle Programm.
Es kamen immer mehr Menschen in das Zimmer, gekrönt vom ultimativen Auftritt des Familienpatriarch. Dieser Hüne von Mann füllte nicht nur durch seine körperliche Größe auf einen Schlag den Raum, sondern auch durch sein Auftreten. Ein durch und durch sympathischer Mensch, nach dessen Pfeife hier wirklich alle tanzten. Es war bitter kalt in diesem Raum. Nachdem vor uns riesige Tabletts mit Hühnchen, Reis, Krautsalat und literweise Ayran ausgebreitet wurden, kamen Matratzen und Heizkörper für uns hinterher.
Eigentlich waren Micha und ich hundemüde, aber dieses spontane Zusammenkommen, das sogar den jüngsten Sohn aus der Stadt hatte extra herkommen lassen, um den Übersetzer zu spielen, war unglaublich. Dies war einer der Momente, die das Reisen ausmachen. Genau deshalb reisen wir. Für solche Begegnungen.
Die Hütte war voll, der Familienpatriarch stellte die Fragen, der jüngste Sohn übersetzte mit Wörterbuch in der Hand die Fragen, wir antworteten und so spielten wir das eine gefühlte Ewigkeit.
Irgendwann wurde ein Fernseher mit Videorekorder in den Raum geschoben. Die nächste halbe Stunde durften wir Zeugen der letzten Clan-Feier im Vorjahr werden und ein schier nicht enden wollendes Tanzvideo anschauen.
Wie wir es dort wieder rausgeschafft hatten, ist mir immer noch ein Rätsel. Aber irgendwie klappte es. Kaum dass wir aufstanden, stand der Familienpatriarch und somit auch alle anderen wie auf Kommando. Fleißig allen Hände geschüttelt, tausendfach bedankt und völlig erschlagen von Müdigkeit und dem Erlebten fielen wir in unser Bett.
Mount Ararat
Ob wir am nächsten Morgen einfach so würden fahren können oder ob es nochmals ein Happening geben würde? Wir waren nicht sicher, wie das ablaufen würde. Beinahe unspektakulär verabschiedeten wir uns dann mit wildem Winken, Gehupe und Dankesrufen von den Umstehenden. Was ein Erlebnis 🙂
Sveni brachte uns weiter gen Osten. Irgendwann kam dann der Berg Ararat das erste Mal in Sicht. Ein beeindruckender Anblick 🙂
Das Städtchen Dogubayazit sollte das Zentrum unseres Wirkungskreises für die nächste Zeit werden. Hier, am Fuße des Ararat wollten wir etwas zur Ruhe kommen und uns langsam auf die nächste Etappe auf dem Weg nach Nepal vorbereiten.

It’s a dangerous area
Dass wir uns seit geraumer Zeit in Kurdengebiet befanden und eine Grundangst allgegenwärtig war, hatten wir schon aufgrund der vielen Polizei-Checkpoints festgestellt. In Dogubayazit erlebten wir diese unterschwellige Angst gleich mehrfach am eigenen Leib:
Wir suchten uns einen Übernachtungsplatz in der Stadt und wurden fündig. In Sichtweite der Kaserne der Jandarma (türkische Militär) dachten wir, es wäre besonders sicher. Sveni’s Motor lief noch, als wir in der Kaserne eine Trillerpfeife vernahmen und kurz darauf ein Unimog mit vier Bewaffneten und einem etwas wichtiger scheinenden Menschen in unsere Richtung aufbrachen. Sie fanden unseren Übernachtungsplatz ganz klar nicht gut. “It’s a dangerous area, military area. You cannot stay here!” Nachdem die fünf wieder abgerückt waren, suchten wir also weiter.
Außerhalb der Stadt, in den weiten Ausläufern des Ararat fanden wir einen wundervollen Platz, wo wir die nächsten Tage bleiben wollten. Eine ganze Zeit blieben wir ungestört. Nur der Dolmuș, der zweimal am Tag in etwas Entfernung an uns vorbei fuhr, hupte uns jedes Mal zu und wir winkten zurück. Ein kleines Stück Paradies.
Aus dem nichts bekamen wir eines morgens wieder Besuch von der Jandarma. Es stiegen mehrere bewaffnete Männer aus. Langsam hatte auch ich mich schon beinahe daran gewöhnt, ständig irgendwelche bewaffneten Menschen um mich zu haben: “This is an inoffical military area, you need a permission to park here. You know, it is a dangerous area.” Es gab nirgends ein Schild oder anders geartete Hinweise, die darauf hätten schließen können. Wir durften aber erstmal in dem inoffiziellen Militärbereich bleiben.
Bis wir den Platz räumten, bekamen wir noch zwei weitere Male solchen Besuch.

On a rescue mission
Um frisches Wasser und ein paar Lebensmittel zu besorgen, waren wir mit Sveni in die Stadt gefahren. Auf dem Rückweg sahen wir unweit unseres “Campingplatzes” einen PKW feststecken. Groß überlegen mussten wir nicht, sondern fuhren direkt drauf los, um zu helfen.
Immerhin kamen wir in die Nähe des PKWs, dessen Besitzer ein kurdisches Ehepaar aus der Gegend war. Dann blieben wir selbst mit Sveni stecken. Es war nichts zu machen. Wir steckten richtig fies fest. Der Boden war beinahe lehmartig und Sveni viel zu schwer und schwach motorisiert, um irgendwas bewegen zu können. Jeglicher Versuch mit Seilwindchen, Schaufel & Co. scheiterte.
Gegen 16:30 Uhr machte Micha sich also zu Fuss auf den Weg Richtung Kaserne. Wir hatten Hoffnung, dass die mit einem LKW uns rausziehen würden. Die Frau des Ehepaars stieg irgendwann zu mir in Sveni ein, während ihr Mann weiter versuchte sein Auto freizubuddeln.
Es wurde dunkel und von Micha nichts zu sehen. Die Alarmglocken gingen langsam wieder an. Um den PKW des Ehepaars freizubekommen, rückte irgendwann ein Auto mit drei Männern an und gemeinsam schafften sie es dann tatsächlich. Netterweise blieb das Ehepaar aber bei mir und sie ließen mich nicht alleine zurück.
Ich machte mir wirklich Sorgen. Inzwischen war es dunkel und von Micha weit und breit nichts zu sehen.
Weitere zwei Stunden dauerte es, bis er mit einem Abschleppwagen wieder auftauchte. Was eine Erleichterung! Die beiden Jungs mit dem Abschlepper zogen Sveni ohne etwas kaputt zu machen raus. Einzig die Tatsache, dass die beiden danach versuchten an dem ursprünglich vereinbarten Preis rumzudrehen, trübte nochmals kurz die Stimmung. Ein Versuch war es den beiden wohl wert.
Auch wenn unsere Hilfsaktion komplett anders lief, wie gedacht, waren wir uns trotzdem einig, dass wir immer wieder helfen würden. Beim nächsten Mal nur vielleicht mit etwas mehr Vorsichtig 🙂

Wo ist mein Kopftuch?
Nach so viel Aufregung suchten wir uns für die letzten Tage ein neues, nochmals etwas abgelegeneres Plätzchen. Unsere Visa für den Iran waren ab dem 01.03.2009 gültig und so nutzten wir die verbliebene Zeit, um alles für unsere Reise durch den Iran bestmöglich vorzubereiten.
Das Transitvisum für den Iran war sieben Tage gültig, entsprechend versuchten wir anhand Strassenkarte und Lonely Planet die Route mit den einzelnen Tagesetappen bestmöglich zu planen.
Alkohol darf man in den Iran nicht einführen, also kümmerten wir uns auch penibelst darum, dass wir jeglichen Alkohol bis zu unserer Weiterfahrt vernichtet bekamen. Manchmal muss man sich eben zwingen 🙂
Mit meinem Kopftuch auf dem Schoß brachen wir am Morgen des 1. März auf, um auf unserem Weg nach Nepal die nächste Grenze zu überqueren. Wir würden tatsächlich in den Iran fahren.

Autorin: Daniela Kirsten
Links
Aller Anfang der Story – mit dem LT 28 nach Nepal …

Dieser Artikel wurde von einem Gastautor für DRAUZZEN.DE geschrieben.
Wir sind, noch etlich Jahre davor, eine ähnliche Strecke, allerdings weiter nach Ägypten gefahren. Auch mit einem VW. Könnte ich stundenlang Geschichten erzählen, auch bei uns lief nicht alles wie geschmiert 😉 Ist eben so.
Danke für die Story!
Hi Kai,
das freut mich zu lesen 🙂
Reisen ohne Pannen wären schlichtweg nicht richtig, sind doch meist die besten Geschichten und Erinnerungen, die man sich gerne behält!
VG, Daniela